Die Kunst des Veredelns....

ist nachweislich schon seit 800 vor Christus bekannt. Sie wurde der Göttin Pomona zugeschrieben. Schon die alten Griechen waren daher in der Lage, Obstsorten mit Hilfe der Veredelungstechnik zu erhalten und zu vermehren. Wichtig ist die Verträglichkeit zwischen den beiden Veredelungspartnern, der richtige Zeitpunkt und gesundes Edelreiser-Material. Der Rest ist Handwerk. Um für alle auftretenden Situationen gerüstet zu sein ist es zweckmäßig, verschiedene Veredelungstechniken zu beherrschen. Denn nicht immer sind Edelreis und Unterlage gleich stark und nicht immer ist die Löslichkeit der Rinde gewährleistet.

Kombinationsmöglichkeiten

Die Veredelungspartner müssen eine gewisse Verwandtschaft zueinander haben, damit das Kambiumgewebe zusammen wachsen kann.
Es kann daher kombiniert werden:
Apfel mit Apfel
Birne mit Birne und Quitte (Achtung nicht alle Birnensorten gehen als Kombination mit Quitte)
Süßkirsche auf Vogelkirschtypen....
Sauerkirsche auf Vogelkirschtypen und Felsenkirsche
Zwetsche, Mirabelle, Reneklode,Aprikosen auf Zwetschentypen und Kirschpflaumen.....
Pfirsich auf Pfirsich und ähnlichem....
Johannisbeeren, Stachelbeeren auf Goldjohannisbeere und Josta

Zeitpunkt

März - April (mit Edelreisern, die in der Winterruhe geschnitten wurden)
August (mit Edelreisern, die direkt vom Baum geschnitten werden)

Edelreiser

Man verwendet 1-jährige Triebe, die gesund, gut ausgereift und mindestens bleistiftstark sind.
Für die Frühjahrsveredelung schneidet man die Reiser in der Winterruhe, also im Dezember, spätestens Januar und lagert sie dann in feucht-kalten Verhältissen bis zur Verwendung im Frühjahr.
Für die Sommerveredelung schneidet man direkt von der Quelle. Dort findet man ab Ende Juli schon voll ausgereifte Triebe bei denen in der Blattachsel schon fertige Knospen vorhanden sind.
Diese Triebe können ohne Zwischenlagerung direkt auf dem Veredelungspartner angebracht werden.

Die wichtigsten Veredelungsarten

•Okulation
•Chip-Veredelung
•Rindenpfropfen
•Kopulation
•Geissfuß

Das Rindenpfropfen

          Rindenpfropfen schematisch

Das Rindenpfropfen ist eine Veredelungsmethode, bei der 2 ungleichstarke Veredelungspartner zusammengefügt werden.
In der Regel verwendet man diese Methode, wenn die Unterlage viel stärker ist als das Edelreis.
Dies ist beí der Veredelung von älteren Bäumen der Fall. Das Edelreis wird unter die Rinde gesteckt.
Wie bei allen anderen Methoden verwachsen nur die Kambiumschichten der Veredelungspartner miteinander.
Da bei dieser Veredelungsmethode die Rinde lösen muss, kann dies im Freiland ab Anfang April (Blütezeit) mit Winterreisern, und im August mit Sommerreisern durchgeführt werden.

Voraussetzungen:
◦Edelreis und Unterlage sind unterschiedlich stark
◦Reiserstärke bis ca. 1 cm Durchmesser
◦Unterlagenstärke von 3 cm bis ca. 10 cm Durchmesser
◦Die Rinde muss lösen

Die einzelnen Arbeitsschritte in Bildern (Beisp. Sommerveredelung):

1. Schritt: Das Edelreis muss sorgfältig vorbereitet werden. Die Blätter werden bis auf einen Blattstiel entfernt.

der Blattstiel bleibt bis auf einen kleinen Stummel erhalten

2. Schritt: Die kleinen Beiblätter werden entfernt. Die Verdunstung über das Reis wird dadurch auf ein Minimum reduziert.

die kleinen Beiblättchen werden entfernt

3. Schritt: Am Edelreis wird ein Kopulationsschnitt durchgeführt. Die Schnittführung sollte so plan wie möglich sein, die Schnittflächen werden nicht mit den Fingern berührt. Die Länge der Schnitte sollte ungefähr das 6-fache des Reiserdurchmessers betragen.

elliptischer Schnitt am Edelreis

4. Schritt: Der zu veredelnde Baum/Ast wird abgeworfen. Der Wundrand wird mit dem Messer glatt geschnitten.

im Bereich der Pfropfstelle sollte die Rinde schön glatt und eben sein 
Wunde und Wundrand werden gesäubert und geglättet

5. Schritt: An der Unterlage wird ein Längsschnitt gemacht und die Rindenflügel gelöst. Das Edelreis wird unter die Rinde geschoben bis nur noch ein 5 mm großer Teil des Kopulationsschnittes am Reis zu sehen ist.

bei größeren Pfropfköpfen können auch mehrere Reiser eingefügt werden

6. Schritt: Nun wird die Veredelung sorgfältig mit Raffiabast verbunden. Danach wird das Ganze noch mit einem Veredelungswachs verstrichen. Dabei muss auch unbedingt die Reiserspitze mitbehandelt werden.

Pfropfkopf mit Edelreisern

 

Die Kopulation

Die Kopulationsmethode

Die Kopulation ist eine Veredelungsmethode, bei der 2 ungefähr gleichstarke Veredelungspartner zusammengefügt werden.
Wie bei allen anderen Methoden verwachsen nur die Kambiumschichten der Veredelungspartner miteinander.
Bei der Schnittführung ist größtmögliche Deckungsgleichheit anzustreben.

Voraussetzungen:
◦Edelreis und Unterlage sind ungefähr gleich stark
◦Reiserstärke bis ca. 1 cm Durchmesser
◦Unterlagenstärke bis ca. 1 cm Durchmesser
◦Die Rinde muss nicht lösen

Die einzelnen Arbeitsschritte in Bildern (Beisp. Sommerveredelung):

1. Schritt: Das Edelreis muss sorgfältig vorbereitet werden. Die Blätter werden bis auf einen Blattstiel entfernt.

Der Blattstiel bleibt bis auf einen kleinen Stummel erhalten

2. Schritt: Die kleinen Beiblätter werden entfernt. Die Verdunstung über das Reis wird dadurch auf ein Minimum reduziert.

die kleinen Beiblättchen werden entfernt

3. Schritt: An Edelreis und Unterlage wird ein Kopulationsschnitt durchgeführt. Die Schnittführung sollte
so plan wie möglich sein, die Schnittflächen werden nicht mit den Fingern berührt.

elliptischer Schnitt am Edelreis und am Veredelungspartner

4. Schritt: Die Schnittflächen an Edelreis und Unterlage sollten ungefähr gleich groß sein.
Die Länge der Schnitte sollte ungefähr das 6-fache des Reiserdurchmessers betragen.

Schnitt an Edelreis und Unterlage sind weitgehend deckungsgleich

5. Schritt: Edelreis und Unterlage werden zusammengefügt. Dabei kommen die Kambiumschichten
beidseitig deckungsgleich aufeinander. Ist dies nicht möglich, wird zumindest einseitig auf
Deckungsgleichheit geachtet.

Reis und Unterlage passen zusammen

6. Schritt: Nun wird die Veredelung sorgfältig mit Raffiabast verbunden.
Danach wird das Ganze noch mit einem Veredelungswachs verstrichen.
Dabei muss auch unbedingt die Reiserspitze mitbehandelt werden.

gleichmäßiger Verband mit Bast

 

Die Okulation

Die Okulation, der Lateiner ahnt es schon, ist eine sogenannte Augenveredelung (oculus - das Auge), d. h. es werden nur einzelne Edelaugen auf den Veredelungspartner übertragen. Dies ist besonders ergiebig, hat man doch die Möglichkeit, aus jedem zur Verfügung stehenden ausgereiften Auge
eine Unterlage zu veredeln. Die Veredelungsmethode kann Ende Juli bis Ende August durchgeführt werden, und zwar dann, wenn sich zum kräftige, gut ausgereifte Augen in den Blattachseln gebildet haben, und andererseits die Rinde der Veredelungsunterlagen löst. Als Edelreiser dienen im laufenden Jahr gewachsene, kräftige Langtriebe.

Die Okulation ist die Standardmethode zur Vermehrung von Obstbäumen und Rosen in den Baumschulen. Sie eignet sich bestens zur Veredelung von Wildlingen oder bei der Umveredelung von einzelnen Trieben in der Baumkrone.

Voraussetzungen:
◦Reiserstärke bis ca. 1 cm Durchmesser
◦Unterlagenstärke bis ca. 1 cm Durchmesser
◦Die Rinde muss lösen

Die einzelnen Arbeitsschritte in Bildern:

1. Schritt: Das Edelreis muss sorgfältig vorbereitet werden. Die Blätter werden bis auf einen Blattstiel entfernt.

2. Schritt: Die kleinen Beiblätter werden entfernt. Die Verdunstung über das Reis wird dadurch auf ein Minimum reduziert.

Okulation 2
Der Blattstiel bleibt erhalten
die Beiblätter wurden entfernt, das Auge sitzt in der Blattachsel

3. Schritt: Die Schnittführung erfolgt flach unter dem Auge hindurch.

das Auge sitzt in der Mitte des 2,5 cm langen Schnittes

4. Schritt: Das Auge wird nicht mit den Fingern berührt! Der Kambiumring zwischen Holz- und Bastteil ist gut zu erkennen.

ausgelöstes Edelauge
heller Holzteil in der Mitte um randet vom hellgrünen Bastteil, dazwischen dunkelgrüner Kambiumring

5. Schritt: Das verbleibende Holz wird ausgelöst, die typische Gabelform zeigt an, dass das Auge nicht beschädigt wurde.

Gabel wird ausgelöst

6. Schritt: Das Auge wird mit sanftem Druck in den T-Schnitt der Unterlage eingeführt.

Auge wird unter die Rinde geschoben
das Edelauge sitzt mittig im T-Schnitt

7. Schritt: Veredelungsstelle muss unverzüglich mit Okulette oder Bast und Veredelungswachs verschlossen werden.

beschreibung
Okulationsverschluss aus Gummi

 

Die Geissfußmethode

         schematische Darstellung

Die Geissfußmethode ist ein Verfahren, bei der 2 ungleichstarke Veredelungspartner zusammengefügt werden.
In der Regel verwendet man diese Methode, wenn die Unterlage wenig stärker ist als das Edelreis.
Das Edelreis wird keilförmig zugeschnitten.
Wie bei allen anderen Methoden verwachsen nur die Kambiumschichten der Veredelungspartner miteinander.
Da bei dieser Veredelungsmethode die Rinde nicht lösen muss, kann dies im Freiland ab Mitte März mit Winterreisern, und im August mit Sommerreisern durchgeführt werden.

Voraussetzungen:
◦Edelreis und Unterlage sind unterschiedlich stark
◦Reiserstärke bis ca. 1 cm Durchmesser
◦Unterlagenstärke von 2 cm bis ca. 5 cm Durchmesser
◦Die Rinde muss nicht lösen

Die einzelnen Arbeitsschritte in Bildern:

1. Schritt: An der Unterlage wird ein keilförmiger Schnitt angefertigt. Aber Achtung, Verletzungsgefahr!

das Messer wird regelrecht durch die Unterlage hindurch gerissen

2. Schritt: Am Edelreis werden zwei Kopulationsschnitte durchgeführt. Dadurch entsteht ein keilförmiger, passgenauer Schnitt am Edelreis.

Reis und Unterlage vor dem Zusammenfügen

3. Schritt: Reis und Unterlage in Passform.

Keil und Gegenkeil

4. Schritt: Das Reis wird nun in die Unterlage eingesetzt. Durch die besondere keilförmige Ausformung des Schnittes an der Unterlage sitzt das Reis schön fest.

das Reis wird in den Keil der Unterlage eingepresst

5. Schritt: Nun wird die Veredelung sorgfältig mit Raffiabast verbunden. Danach wird das Ganze noch mit einem Veredelungswachs verstrichen. Dabei muss auch unbedingt die Reiserspitze mitbehandelt werden.

Ein Auge des Edelreises sitzt im Verband
der Wundrand am Reis überragt den Veredelungskopf - dies fördert die Wundheilung